Die Nichtschülerabiturprüfung ist eine besondere Prüfungsform zur Erlangung der allgemeinen Hochschulreife für Personen ohne vorherigen Besuch einer staatlichen oder staatlich anerkannten Schule, die zum höchsten deutschen Schulabschluss führt.
Sie wird in allen deutschen Bundesländern angeboten, die Bezeichnung ist jedoch unterschiedlich. In den meisten - Berlin, Brandenburg, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein - wird das "Abitur ohne Schule" in den relevanten Verordnungen, Vorschriften und Gesetzen derzeit ganz offiziell als Abiturprüfung für Nichtschülerinnen und Nichtschüler aufgeführt. In Bayern, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, dem Saarland und Thüringen findet die Nichtschülerabiturprüfung hingegen als Externenabiturprüfung (Abiturprüfung für Externe bzw. andere Bewerber, externes Abitur) Erwähnung, in Baden-Württemberg und Sachsen als Schulfremdenabiturprüfung (Abiturprüfung für Schulfremde).
Schüler der Waldorfschulen können an einer "modifizierten" Nichtschülerabiturprüfung teilnehmen.
Für besonders befähigte Berufstätige gibt es in einigen Bundesländern noch die Begabtenabiturprüfung, die andere Zulassungsvoraussetzungen und Prüfungsbestandteile besitzt, aber ebenso keinen geregelten Schulbesuch voraussetzt.
Je nach Bundesland gibt es eine komplett eigene Verordnung für die Nichtschülerabiturprüfung oder sie wird in (Unter-)Abschnitten der Rechtsverordnungen relevanter Bildungsgänge wie der gymnasialen Oberstufe, Abendgymnasien, Kollegs, aber auch mitunter von Fachoberschule bzw. Berufsoberschule, geregelt.
Nichtschülerprüfungen bzw. Externen- oder Schulfremdenprüfungen gibt es im Grunde für viele Bildungs- und Schulabschlüsse, also nicht nur für das Abitur, sondern beispielsweise auch für die Fachhochschulreife, den mittleren Schulabschluss oder Hauptschulabschluss. Nach dem Berufsbildungsgesetz[1] sowie der Handwerksordnung[2] können Externe selbst zu einer Gesellen- oder Abschlussprüfung für einen staatlich anerkannten Ausbildungsberuf zugelassen werden (z.B. Staatlich geprüfte/r Erzieher/-in), die keine Berufsausbildung absolviert haben.
Die Prüfungsvorbereitung erfolgt komplett autodidaktisch oder mithilfe externer Anbieter, wie Fernschulen, Volkshochschulen oder anderen privaten Bildungseinrichtungen - sie ermöglichen den unkomplizierten Nachweis einer ordnungsgemäßen Vorbereitung, der für die Zulassung zur Schulfremdenabiturprüfung notwendig ist.
Hinweis: Die im Folgenden unter "Zulassung / Voraussetzungen" sowie "Prüfungsfächer & Abschlussprüfung" getätigten Aussagen beziehen sich explizit auf die Nichtschülerabiturprüfung entsprechend der Gestaltung der gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II. Externenprüfungen an der Berufsoberschule zum Beispiel besitzen andere Voraussetzungen für die Zulassung und sind auch anders aufgebaut (Wahl der Prüfungsfächer). Wir haben uns hier aber für die Darstellung des am häufigsten geprüften Nichtschülerabiturs entschieden.
Gemäß Vereinbarung über die Abiturprüfung für Nichtschülerinnen und Nichtschüler entsprechend der Gestaltung der gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 13.09.1974 i.d.F. vom 09.06.2017) kann zur "gymnasialen" Externenabiturprüfung zugelassen werden, wer:
Wer die Abiturprüfung zweimal nicht bestanden hat, darf nicht zugelassen werden.
Prüfungsfächer beim Nichtschülerabitur entsprechend der Gestaltung der gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II können sein:
Dieser Fächerkatalog kann von den Schulbehörden eingeschränkt oder um Fächer erweitert werden, die auch an den öffentlichen gymnasialen Oberstufen des Landes als Prüfungsfächer zugelassen werden können.
Unter den Prüfungsfächern müssen sich befinden: Deutsch, Geschichte oder ein anderes gesellschaftswissenschaftliches Fach, Mathematik, eine Naturwissenschaft und zwei Fremdsprachen.
Die Prüfung gliedert sich in einen Teil, der Fächer umfasst, die schriftlich und gegebenenfalls auch mündlich geprüft werden, und in einen weiteren Teil, der Fächer umfasst, die nur mündlich geprüft werden.
Schriftliche Prüfungen werden in vier Fächern durchgeführt, die alle oben genannten Aufgabenfelder abdecken müssen. Darunter müssen sich befinden: Mathematik und Deutsch oder eine Fremdsprache. Mindestens zwei der schriftlichen Prüfungsfächer müssen Fächer mit erhöhtem Anforderungsniveau sein. Bei zwei Prüfungsfächern mit erhöhtem Anforderungsniveau muss eines dieser Fächer Deutsch, Mathematik oder eine Fremdsprache sein; bei drei Prüfungsfächern mit erhöhtem Anforderungsniveau müssen unter diesen zwei der Fächer Deutsch, Mathematik, Fremdsprache oder eine Naturwissenschaft sein.
In vier Fächern, die nicht Gegenstand der schriftlichen Prüfung sind, wird ausschließlich eine mündliche Prüfung durchgeführt.
Eine interessante Besonderheit beim Externenabitur bietet zum Beispiel Thüringen. Die Prüfung kann dort entweder herkömmlich in einem ungeteilten Prüfungsverfahren oder aber auch in einem zweigeteilten Prüfungsverfahren zum allgemeinen Abiturtermin abgelegt werden (§ 111 Absatz 5 Thüringer Schulordnung). Das zweigeteilte Prüfungsverfahren besteht aus zwei Teilprüfungen mit jeweils vier Fächern (zwei Fächer schriftlich und zwei Fächer mündlich), die auf zwei nacheinanderfolgende Schuljahre verteilt sind. So kann sich pro Jahr intensiv auf nur vier anstelle von acht Fächern vorbereitet werden.
Wer das externe Abitur nicht bestanden hat, kann es frühestens ein Jahr nach dem ersten Versuch einmal wiederholen. Die Prüfung kann nur im Ganzen wiederholt werden.
Leider veröffentlichen kaum Bundesländer von sich aus die Durchfallquoten bei der externen Abiturprüfung beziehungsweise erheben diese beispielsweise im Rahmen der amtlichen Schulstatistik gar nicht erst (unter anderem in Baden-Württemberg). Nach Auskunft des Sekretariats der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) Referat IV C - Statistik, Prognose, Bildungs-, Wissenschafts- und Kulturdaten liegen auch dort keine Statistiken zu den Abiturprüfungen von Nichtschülern vor.
Die Schulstatistik "Blickpunkt Schule" der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft in Berlin zeigt für den größten deutschen Stadtstaat, dass die Quote bestandener Nichtschülerabiturprüfungen dort von Jahr zu Jahr sehr stark schwankt: nach den uns vorliegenden Daten (2001 bis 2016) von 96,1 % in 2014 bis 36,2 % in 2007.
Kalenderjahr | Teilnehmer | Davon mit | ||||||
bestandener Abschlussprüfung | nicht bestandener Abschlussprüfung | |||||||
insgesamt | weiblich | absolut | in Prozent | |||||
insgesamt | weiblich | insgesamt | weiblich | insgesamt | weiblich | |||
2001 | 111 | 59 | 55 | 28 | 49,5 | 47,5 | 56 | 31 |
2002 | 105 | 51 | 45 | 24 | 42,9 | 47,1 | 60 | 27 |
2003 | 106 | 56 | 40 | 21 | 37,7 | 37,5 | 66 | 35 |
2004 | 114 | 57 | 50 | 27 | 43,9 | 47,4 | 64 | 30 |
2005 | 113 | 55 | 49 | 22 | 43,4 | 40,0 | 64 | 33 |
2006 | 103 | 48 | 48 | 26 | 46,6 | 54,2 | 55 | 22 |
2007 | 105 | 44 | 38 | 19 | 36,2 | 43,2 | 67 | 25 |
2008 | 90 | 47 | 47 | 25 | 52,2 | 53,2 | 43 | 22 |
2009 | 106 | 42 | 45 | 18 | 42,5 | 42,9 | 61 | 24 |
2010 | 114 | 47 | 76 | 30 | 66,7 | 63,8 | 38 | 17 |
2011 | 79 | 42 | 48 | 25 | 60,8 | 59,5 | 31 | 17 |
2012 | 105 | 53 | 54 | 27 | 51,4 | 50,9 | 51 | 26 |
2013 | 111 | 59 | 59 | 35 | 53,2 | 59,3 | 52 | 24 |
2014 | 103 | 43 | 99 | 22 | 96,1 | 51,2 | 4 | 21 |
2015 | 48 | 22 | 19 | 10 | 39,6 | 45,5 | 29 | 12 |
2016* | 292 | x | 234 | x | 80,1 | x | 58 | x |
entnommen aus "Blickpunkt Schule - die Berliner Schulstatistik" 2011/2012 (S. 80), 2012/2013 (S. 81), 2013/2014 (S. 79), 2014/2015 (S. 77), 2017/18 (S. 78) - Prüfungen für Nichtschülerinnen und Nichtschüler 24.1: allgemeine Hochschulreife
Zum Vergleich: An öffentlichen Einrichtungen zum Erwerb der allgemeinen Hochschulreife im Zweiten Bildungsweg (Kolleg, Abendgymnasium) erlangten 2016/17 in Berlin 404 von 424 Erwachsenen (95 %) das Abitur.
*Beginnend ab dem Schuljahr 2015/2016 (Prüfungsjahr 2016) wurden auch die Zahlen der Absolventen der Abiturprüfung für Nichtschüler an Freien Waldorfschulen ermittelt, was den signifikanten Anstieg der Prüflingszahlen zur Folge hatte.
Die "Statistischen Berichte des Bereiches Bildung" des Hessischen Statistischen Landesamtes liefern die Anzahl bestandener und nicht bestandener Nichtschülerabiturprüfungen sowie Prüfungen für besonders befähigte Berufstätige:
Schuljahr | Teilnehmer Nichtschülerabitur | Teilnehmer Prüfung für besonders befähigte Berufstätige | ||||||
Gesamt | bestanden | nicht bestanden | Durchfallquote | Gesamt | bestanden | nicht bestanden | Durchfallquote | |
2009/10 | 161 | 96 | 65 | 40,4 % | 2 | 1 | 1 | 50,0 % |
2010/11 | 182 | 108 | 74 | 40,7 % | ||||
2011/12 | 170 | 89 | 81 | 47,7 % | 4 | 2 | 2 | 50,0 % |
2012/13 | 193 | 104 | 89 | 46,1 % | ||||
2013/14 | 223 | 124 | 99 | 44,4 % | ||||
2014/15 | 188 | 97 | 91 | 48,4 % | ||||
2015/16 | 141 | 86 | 55 | 39,0 % | ||||
2016/17 | 133 | 83 | 50 | 37,6 % |
Auffällig bei diesen Zahlen ist die im Vergleich zu Berlin doch verhältnismäßig geringe Schwankung der Durchfallquote über die Jahre.
Vom Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen erhielt abi-nachholen.de auf Anfrage folgende Durchfallquoten beim Externenabitur:
Schuljahr | Zur Externenabiturprüfung angetreten |
Bestanden mit Abitur | Nicht bestanden, Fachhochschulreife (schulischer Teil)* |
Nicht bestanden, kein Abschluss |
Offen/Fehlende[3] |
2011/2012 | 225 | 141 (62,7 %) | 12 (5,3 %) | 55 (24,4 %) | 17 (7,6 %) |
2012/2013 | 223 | 152 (68,2 %) | 13 (5,8 %) | 56 (25,1 %) | 2 (0,9 %) |
* Bei nicht bestandener Externen-Abiturprüfung kann in NRW der schulische Teil der Fachhochschulreife unter bestimmten Bedingungen vergeben werden (vgl. unten). Selbst wenn diese Nichtbesteher einbezogen werden, liegt die Durchfallquote mit um die 30 % deutlich unterhalb von Berlin und Hessen.
Andere Länder geben bspw. nur die Absolventenzahlen heraus: In Hamburg, dem Sitz dreier Fernschulen, die planmäßig auf die dortige staatliche Nichtschülerabiturprüfung vorbereiten, absolvierten im Jahr 2017 95 Personen erfolgreich das Abitur (Quelle; 2016 91, 2015 51, 2014 55, 2013 129, 2012 104). In Niedersachsen waren es 2016 10, 2015 17, 2014 21, 2013 9 und 2012 21 erfolgreiche Nichtschülerabiturprüfungen (Quellen: 2012, S. 50; 2013, S. 52; 2014, S. 52; 2015, S. 52; 2016, S. 52). In Bayern gab es im Jahr 2013 41 Nichtschüler mit erlangter allgemeiner Hochschulreifer und eine(r) mit fachgebundener Hochschulreife (2012 38 bzw. 1). In Brandenburg gab es 2017 lediglich 3 erfolgreiche Nichtschülerabiturprüfungen (Quelle, S. 5).
Bei Nichtbestehen der Prüfung zum Erwerb der Allgemeinen Hochschulreife kann nach Entscheidung der Länder der schulische Teil der Fachhochschulreife vergeben werden. Der Nachweis des berufsbezogenen Teils erfolgt gemäß den Regelungen in Ziffer 12.4 der Oberstufenvereinbarung.
Die Länder Bayern und Sachsen sehen diese Möglichkeit des Erwerbs der Fachhochschulreife nicht vor, sodass ein solches Zeugnis der FHR aus anderen Ländern dort auch nicht erkannt wird. Gleiches gilt auch für den schulischen Teil allein.
Je nach Bundesland können für das Nichtschülerabitur (unterschiedlich hohe) Prüfungsgebühren entstehen. Darüber hinaus kostet natürlich die externe Vorbereitung durch Fernschulen, Volkshochschulen oder andere privaten Einrichtungen Geld. Die Preise schwanken hier zum Teil sehr stark.
Wir von abi-nachholen.de sind immer offen und dankbar für zugesandte Erfahrungsberichte zur Nichtschülerabiturprüfung, zur Vorbereitungsphase und vielem mehr. Lasst uns eure Erfahrungen einfach zukommen und wir veröffentlichen sie - wenn gewünscht - anonym, damit andere einen noch besseren Eindruck von dieser besonderen Prüfungsform erhalten.
Fußnoten
[1] Berufsbildungsgesetz (BBiG) § 45 Abs. 2
[2] Handwerksordnung (HwO) § 37 Abs. 2
[3] Widerspruchsverfahren, Prüfungsverfahren zum Zeitpunkt der Abfrage noch nicht abgeschlossen